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        Tschüss Opa!

        Süden ist da, wo es schön ist, heißt es…

        …der Süden meines Opas war der Norden. Norwegen war sein Lieblingsfleck auf dieser Erde, sein Zufluchtsort, sein 2. Zuhause. Jedes Jahr machte er sich auf eine weite Reise, sogar noch mit stolzen 80 Jahren und auch dann noch, als er schon schwer vom Krebs gezeichnet war. Das Angeln war sein Ausgleich, seine Leidenschaft und die Natur dort oben gab ihm Ruhe und Kraft. Ganz allein und doch nie einsam in seinem kleinen blauen Boot, umgeben von der Natur, den Tieren und der eisigen Kälte fühlte er sich am wohlsten.

        Mein Opa, er war ein Lebemensch. Er besaß nie viel, war sehr bescheiden und doch erfreute er sich stets an dem, was er hatte und war dankbar dafür – Jeden Tag. „Wenn du endlich mal anfängst, das zu schätzen was du schon hast und aufhörst, ständig mehr zu wollen vom Leben, wirst du der glücklichste Mensch der Welt.“ Wie schwer es manchmal ist, das umzusetzen wissen wir doch alle genau. In unserer schnelllebigen Welt verliert man oft den Fokus, die Prioritäten werden an der falschen Stelle gesetzt. Schneller, besser, innovativer, reicher, erfolgreicher…Und das alles nur, weil wir auf der Suche nach etwas sind: Glück. Unser Ziel ist es doch, glücklich zu sein und einige von uns sind auf der Suche bis ans Ende ihrer Tage, dabei tragen wir unser Glück die ganze Zeit mit uns herum. Wir müssen nur die Augen öffnen und uns darauf besinnen, worum es uns wirklich geht im Leben…

        Mein Opa war Optimist – stets gut gelaunt und für jeden Scherz zu haben. Geht nicht gibt’s nicht. „Du musst dat nur wollen.“ War seine Divise. Auch als die Diagnose Krebs vor einem Jahr kam, ließ er sich davon noch lange nicht den Tag vermiesen: „Du, das ist halt jetzt so…aber eins sag ich dir: Kein Arzt der Welt wird mich je davon abhalten, wieder nach Norwegen zu fliegen!“. Er hat Wort gehalten. Sein letzter Trip in den Norden machte er in diesem Jahr. Er musste ihn nach 1 Woche abbrechen weil es ihm schlechter ging und ich bin mir sicher, er wusste schon vorher, dass dies sein letzter Ausflug werden wird, aber eins muss man ihm lassen. Er hat sich von keinem Arzt der Welt davon abhalten lassen, noch ein Mal nach Norwegen zu fliegen. ;)

        Als wir ihn vor 4 Wochen das letzte Mal besuchten, war nicht mehr viel übrig von dem lebensbejahenden Mann, den ich so bewunderte. Dünn war er geworden, schwach und ohne jegliche Lebenslust. Bis zum Schluss hat er uns erzählt, er hätte Magenprobleme weil „die alte Hexe aus der Nachbarhütte in Norwegen mich mit ihrer blöden Fischsuppe vergiftet hat.“. Es war der Krebs. Das wussten wir, doch irgendwie war Opa’s Geschichte für alle viel leichter zu ertragen.

        Die Bilder blieben im Schrank dieses Mal und zwei Mal musste ich raus in den Garten, weil ich es kaum ertragen konnte, ihn so zu sehen – abgemagert, fahl, verwirrt, lebensmüde und schwach. Wir blieben nicht lang zu Besuch an diesem Tag, der einer der letzten Tage war, den er in seinem kleinen Häuschen verbrachte, bevor er ins Krankenhaus kam, was er nie wieder verlassen sollte. Beim Abschied umarmte er mich einige Sekunden länger als sonst. Er verabschiedete sich für immer und das wussten wir beide.

        Der Anruf kam sonntags morgens um 9. Ich habe damit gerechnet und doch traf es mich wie ein knallharter Schlag ins Gesicht. Ich war völlig unvorbereitet, dabei wusste ich doch genau, was mich erwartet… Wir fuhren zu ihm nach Rheine und blieben über Nacht in seinem Haus. Es war so ungewohnt ruhig, das vertraute Ticken der Wanduhr war das einzige was die Stille brach und hatte eine Art beruhigende Wirkung auf mich. Stille. Sie kann so laut sein.

        Am nächsten Tag suchten wir im Haus nach Bildern, persönlichen Dingen und wichtigen Dokumenten. Es fühlte sich befremdlich an. Wir fanden hunderte, wenn nicht tausende von Bildern – In jeder Schublade, unter jedem Schrank gab es Kisten voller alter Erinnerungen. Seine Kamera nahm ich mit nach Hause und fand darauf diese unbeschreiblichen Aufnahmen. Das Gefühl, nie so richtig hingeschaut zu haben, wenn er uns so stolz seine Bilder gezeigt hat, tut im Nachhinein weh und soll uns eine Lehre sein zu schätzen, was wir an unseren Liebsten haben.  Wir sollten besser zuhören und genauer hinschauen, denn in diesen Momenten werden Erinnerungen geboren, die auch bleiben, wenn der Mensch gegangen ist…

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Tschüss Opa!

        Vor 2 Tagen haben wir ihn beerdigt. Es hat geregnet. Als wir vor seinem Grab standen goss es wie aus Eimern. “Es gibt kein schlechtes Wetter, nur die falsche Kleidung…” Ein unverbesserlicher Optimist, der sicher irgendwo hoch oben auf einer Wolke gesessen und den Hahn aufgedreht hat, um uns alle noch ein letztes Mal zu ärgern ;)

        Du warst ein wundervoller Mensch, zu dem ich immer aufgeschaut habe, den ich so sehr bewundert habe für seine Einstellung zum Leben und von dem ich vieles gelernt habe, auch wenn ich mich allzu oft dabei erwische, dass ich deine Worte im hektischen Alltag für kurze Zeit vergesse. Du warst einzigartig und ich werde dich niemals vergessen!

        Tschüss Opa.

        Tschüss Opa!